König wurde 1923 „ausgetrunken“

02.08.2022 00:00

Schützenverein Rhadereistedt feiert sein 100-jähriges Bestehen - Aushängeschild sind heute die Sportschützen

Von Lutz Hilken Rhadereistedt. Der kleine Schützenverein Rhadereistedt leistet Großes: Erst hat er seinen in die Jahre gekommenen Schießstand zu einem der modernsten in Norddeutschland umgebaut. Nun steht das 100-jährige Jubiläum vor der Tür. Danach sah es zunächst gar nicht aus.

de 1923 „ausgetrunken“
Historische Aufnahme vom Schießen in früheren Zeiten. Heute zählt der Rhadereistedter Schießstand zu den Vorzeigeobjekten.SVR

Denn als der Schützenverein kurz nach dem Ersten Weltkrieg gegründet wurde, zunächst 1919 gemeinsam mit dem benachbarten Rhade, gab es schnell „böses Blut“, wie der heutige Schützenpräsident Udo Stuhlemmer erinnert.

„1922 trennten sich die Rhadereistedter von den Rhadern, da ein Schützenkönig aus Rhade die Königswürde angeblich durch Bestechung errungen hatte“, heißt es in der Chronik über die Vereinsgeschichte (www.schuetzenverein-rhadereistedt.de). So entstand vor 100 Jahren der nun eigenständige Schützenverein Rhadereistedt.

Wogen sind geglättet

Der hat aktuell rund 200 Mitglieder, darunter übrigens viele aus Rhade. Die Wogen haben sich also längst geglättet. Zumal ja Rhade und Rhadereistedt in einer politischen Gemeinde vereint sind. Ein Aushängeschild des Vereins sind die Sportschützen, die auf vielen Ebenen aktiv sind und bis hin zu den Deutschen Meisterschaften trainieren.

Das war in den Anfangsjahren noch kein Thema. Kurios: 1923 standen keine Gewehre zur Verfügung. So wurde der König nicht ausgeschossen, sondern „ausgetrunken“. Nach dem Prinzip: „Wer zuletzt noch steht, der wird König.“

1933 gab es ganz andere Probleme: Der Verein musste den Schießbetrieb „aufgrund der steigenden Munitionspreise und der stetigen Benutzung durch den Nationalsozialistischen Schützenbund einstellen. Es war zugleich das vorläufige Ende des Schützenvereins“, heißt es in der Chronik. Erst 1951, lange nach Ende des Zweiten Weltkrieges, gründeten 23 Rhadereistedter ihren Schützenverein neu.

Bis 1965 war er ein reiner Männerklub. Damals trat Anneliese Mohrmann als erstes weibliches Mitglied dem Verein bei. 1973 entstand die Damenriege, die 2023 ihr 50-jähriges Jubiläum feiert. „Da steht schon das nächste Fest vor der Tür“, sagt der Präsident lachend.

„Der große Umschwung kam 1976“, weiß Udo Stuhlemmer. Damals weihte der Schützenverein an der Bahnhofstraße auf eigenem Grund seinen Schießstand ein. „Da ging ein Ruck durch den Ort. Das waren die Jahre, in denen es richtig Zulauf gab, viele in den Verein eingetreten sind.“

Und mit dem neuen Gebäude kamen auch die Sportschützen, Erfolge und ein Aufschwung, der es dem Verein erlaubte, weitere Investitionen in den Schießstand zu tätigen. 2019 entschloss sich der Verein zu einer aufwendigen Modernisierung des in die Jahre gekommenen Schießstandgebäudes.

Mit Tausenden Stunden Eigenleistung und finanzieller Unterstützung von Förderern wie dem Landessportbund oder der Gemeinde Rhade sanierte der Verein den Schießstand, baute ihn zeitgemäß um. Die Arbeit hat sich gelohnt: Im Bereich des Nordwestdeutschen Schützenbundes gilt er derzeit als der modernste Stand.

„Wir haben viele Mitglieder im Schützenverein, die das Schießen sportlich betreiben“, sagt der Präsident. Innerhalb des Vereins mache das keinen Unterschied: „Die Frauen und Männer tragen auch Uniform, sind integriert.“

Hinzu komme die gezielte Jugendförderung mit speziell ausgebildeten Mitgliedern. „Die jungen Leute werden hier entsprechend betreut“, so der 59-Jährige. Das sehe man an den schießsportlichen Leistungen. „Das ist der Grundstock, von dem unsere Mannschaften profitieren.“

Gezielte Jugendförderung

Nachwuchssorgen habe der Verein im Moment kaum, so Udo Stuhlemmer, sei jedoch immer offen für neue Mitglieder. Kinder ab sechs Jahren schießen mit einer Lichtpunktanlage, also nicht mit Munition, sondern mit Lasertechnik. Ab zehn Jahren sei es möglich, mit dem Luftgewehr und ab 14 Jahren mit dem Kleinkaliber-Gewehr zu schießen. Dafür gebe es ausgebildete Trainer. „Wenn das professionell gemacht wird, haben die Kinder Spaß daran“, so die Erfahrung.

Der Präsident erwähnt sogar Rückmeldungen von Eltern, die sagten: „Seitdem sie im Schützenverein sind und hier schießen, haben sich die schulischen Leistungen verbessert.“ Dafür hat Udo Stuhlemmer eine einfache Erklärung: „Die Kinder müssen sich hier über eine längere Zeit konzentrieren, damit sie treffsicher sind. Dieses Konzentrieren nehmen sie anscheinend mit in die Schule.“

Auch bemerkenswert: In den 100 Jahren der Vereinsgeschichte ist es bisher erst einmal vorgekommen, dass kein Schützenkönig gefunden wurde. Zum Jubiläum erwartet der Präsident ambitionierte Anwärter. Die Erfahrung ehemaliger Könige lehrt: „Das war das schönste Jahr.“

Die sogenannte „Königsversicherung“ trägt dazu bei, diese Würde auch finanziell mit zu tragen. „Dabei wird keiner mehr arm“, versichert Udo Stuhlemmer. Was den Präsidenten am Schützenverein Rhadereistedt besonders reizt? „Ich habe von Anfang an immer bewundert, dass hier kein Unterschied gemacht wurde.“ Alle Mitglieder seien gleich, trügen Uniform, egal vor welchem sozialen Hintergrund: „Alles auf Augenhöhe.“

Festprogramm

Das Festprogramm zum 100-jährigen Jubiläum des Schützenvereins Rhadereistedt beginnt am Sonntag, 7. August , um 15 Uhr mit dem Grandmonarchenschießen und findet seine Fortsetzung am 9. August ab 18.30 Uhr mit dem Preis- und Pokalschießen.

Im Mittelpunkt am Freitag, 12. August, steht ab 18.30 Uhr abermals das Preis- und Pokalschießen und ab 21.30 Uhr eine Zeltfete mit DJ Juma.

 

Das Königsschießen beginnt am Samstag, 13. August , um 15 Uhr. Um 19.15 folgt die Proklamation der neuen Majestäten und um 20 Uhr beginnt eine Sommer-Party mit den Taubertaler Musikanten.

 

Ein großer Festumzug läutet am Sonntag, 14. August , ab 12.30 Uhr den letzten Jubiläumstag ein, anschließend folgt ein Festakt auf dem Gelände hinter der Feuerwehr. Und um 15 Uhr beginnt am Schießstand ein Festkonzert mit den Taubertaler Musikanten.

Der große Umschwung kam 1976. Da ging ein Ruck durch den Ort. Das waren die Jahre, in denen es richtig Zulauf gab, viele in den Verein eingetreten sind.

Udo Stuhlemmer, Präsident des Schützenvereins Rhadereistedt

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Schützenpräsident Udo Stuhlemmer ist stolz auf den mit enorm viel Eigenleistung der Mitglieder umgebauten Schießstand, der nun zu den modernsten in Norddeutschland gehört. Die Sportschützen sind ein Aushängeschild des Vereins.Hilken
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Der Umzug beim Schützenfest 1959, der König begleitet von zwei Damen. Das erste weibliche Mitglied gab es aber erst 1965 im Verein.
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Digital auf dem Stand der Dinge: Der sanierte und umgebaute Rhadereistedter Schießstand zählt zu den modernsten im Norden. Hilken

Quelle: Zevener Zeitung